Montag, 15. Oktober 2012

Kein Werkvertrag bei einfachen manuellen Tätigkeiten

Dienstverhältnis trotz Gewerbeschein

Erneut hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage beschäftigt, ob einfache manuelle Tätigkeiten (Hier Gipskartonplatten verspachteln) überhaupt im Rahmen eines Werkvertrages durchgeführt werden können.

Abgrenzung Dienstvertrag- freier Dienstvertrag - Werkvertrag


Oder - wie er letztlich feststellt  - nahezu immer ein Dienstvertrag vorliegen wird.
Es kommt für ihn bei der Abgrenzung eines Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet. Diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor. 
Oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt. In diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor.
Für die Beurteilung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, kommt dem Vertrag zunächst die Vermutung seiner Richtigkeit zu, d.h. es ist davon auszugehen, dass er den wahren Sachverhalt widerspiegelt.

Entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse dem Vertrag?

Soweit ein Vertrag von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht abweicht, ist er als Teilelement der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung in diese einzubeziehen, weil er die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt.
Weicht die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung aber vom Vertrag ab, ist nicht primär der Vertrag maßgebend, sondern dann sind die wahren Verhältnisse entscheidend, d.h. ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen

Merkmale persönlicher Abhängigkeit


Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder nur beschränkt ist.

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Dienstnehmer zusätzlich über einen Gewerbeschein verfügt. 
 
Ebenso steht die Gewährung eines leistungsbezogenen Entgeltes einem Dienstverhältnis nicht entgegen. Die für die persönliche Abhängigkeit charakteristische weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Tätigkeit kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch dann vorliegen, wenn der Beschäftigte aufgrund einer Vereinbarung oder der Betriebsübung oder der Art seiner Beschäftigung Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weithin selbst bestimmen kann.

Hat aber die allfällige Ungebundenheit des Beschäftigten hinsichtlich Arbeitsablauf und Arbeitszeit ihre Grenze in der unterschiedlichen Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten und den betrieblichen Erfordernissen, sodass die Arbeitserbringung letztlich doch im Kern an den Bedürfnissen des Dienstgebers orientiert sein muss, so spricht dies für ein Verhältnis persönlicher Abhängigkeit.

Die Innehabung eines Gewerbescheins ist Teil eines verbreiteten Missbrauchs der Gewerbeordnung, der zur Verschleierung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse dient, wie er sich in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits wiederholt widerspiegelt.

Angesichts der von den Beschäftigten durchgeführten Verspachtelungsarbeiten erübrigten sich auch Weisungen an die einzelnen Beschäftigten, weil diese von sich aus wissen, wie sie sich im Betrieb des Dienstgebers zu verhalten haben bzw. das Weisungsrecht in gleicher Weise im Bestehen von Kontrollrechten zum Ausdruck kommt.

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, worunter zweifelsohne auch die vorliegenden Verspachtelungsarbeiten zählen, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Abhängigkeit ist festzuhalten, dass diese ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet.
Im vorliegenden Fall ist es unbestritten, dass das Baumaterial von der R-Bau GmbH zur Verfügung gestellt wurde. Auch mit der Beschwerdebehauptung, das benötigte (Klein)Werkzeug und die Arbeitskleidung seien von den Ausländern beigestellt worden, können keine Zweifel an der wirtschaftlichen Abhängigkeit gegenüber dem genannten Unternehmen erzeugt werden. 

VwGH, 2010/08/0129 vom 21.12.2011

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